Reiseabbruch - ein letzter Blogeintrag

Sonntag, 29.03.2020

Ich hatte es mir 100x im Kopf ausgemalt wie es sein würde, nach 1.5 Jahren Reisen zurück nach Deutschland zu kommen. Wie ich meine Familie beim Abendessen überraschen würde, denn sie hätten keine Ahnung, dass ich endlich nachhause komme. Wie ich mit meiner Qualifikation zur Yogalehrerin ein bisschen Geld verdiene, bis die Uni im Herbst anfängt und ich mein frisch Gelerntes anwenden kann. Wie ich mitten im Frühling nach einem kurzen Abstecher nach Barcelona die Sonne mit nachhause bringe und alle in den Arm nehme.

Dass eine globale Epidemie dieses Wunschdenken um 180 Grad drehen würde, damit hätte ich wohl lange nicht gerechnet. Und doch ist es genauso gekommen.

Als ich meinen letzten Eintrag schrieb befand ich mich noch in Malaysia und bereitete mich auf meine 4 wöchige Ausbildung auf der kleinen Insel Koh Phangan in Thailand vor. Meine Familie dachte, dass ich anschließend noch den Rest des südlichen Thailands erkunden würde, hatte insgeheim aber schon einen Rückflug über Barcelona nach Deutschland gebucht. Dort wollte ich eine Freundin besuchen und wir wären zu einem Konzert gegangen, welches schon so lange auf meiner Liste stand. 

Ich konnte es kaum erwarten, einen ganzen Monat in einer kleinen Strandhütte zu wohnen, mit 15 anderen Menschen alles über das therapeutische Yoga zu lernen, das beste Essen zu genießen und jeden Tag ins Meer zu springen. Und anfangs sah mein Tagesablauf auch noch genauso aus.

Meine Hüttennachbarin Mali und ich waren die Jüngsten im Kurs und es gab sogar noch drei weitere Deutschsprachige, ansonsten war die Gruppe sehr gemischt und kam von überall aus der Welt angereist. Der Ablauf war sehr strukturiert,  wir haben um 6.30 morgens angefangen und pünktlich zum Sonnenuntergang um 18 Uhr aufgehört. Sechs Tage die Woche, für eigentlich vier Wochen. Die Stimmung auf der Insel war ausgelassen, abends am Strand kamen alle zusammen, es wurde Gitarre gespielt und getrommelt, irgendwer tanzte immer. Über Corona sprachen wir nur wenig, auf der Insel fühlte ich mich isoliert - und irgendwie sicher. Mich erreichten Nachrichten aus Deutschland, wo sich die Lage tagtäglich verschlimmert. Ich werde beneidet, von all dem nichts mitzukriegen.

Mein "beach-bungalow" mit Meeresblick, nur 5 Minuten von unser Yogaschule, und nicht weit vom unserem Lieblingscafe der Köchin Pat

Wir hatten gerade die erste Woche erfolgreich überstanden als unsere drei Lehrer und Leiter des Kurses uns am Abend zusammensetzten und uns über die Maßnahmen der thailändischen Regierung informierte. Es wäre warscheinlich kein Schock für uns gewesen, hätten wir die News der letzten Tage und die sich zuspitzende Lage nah verfolgt, aber ich persönlich war wohl zu optimistisch, dass es uns hier nicht so schnell betreffen würde. Zu diesem Zeitpunkt wurde zwar schon das Konzert in Barcelona sowie der Flug dahin gestrichen, aber ich hatte ihn ohne viel Bedenken nach Deutschland umgebucht. Wie gesagt, ich hatte die Lage einfach unterschätzt. Damit die Lehrer ein bisschen Zeit hatten, um einen Plan für das weitere Vorgehen zu entwickeln bekamen wir erstmal zwei Tage frei. Wir könnten den Kurs vorübergehend online in kleinen Guppen weitermachen, schließlich war es auch viel Theorie und heutzutage gibt es ja genügend Möglichkeiten. Doch am nächsten Morgen entschieden sich die Lehrer -zu unserem Verständnis- dagegen, es wäre einfach nicht die gleiche Qualität, außerdem stehen wir  noch so weit am Anfang des Kurses. Die Enttäuschung war groß, aber sie hatten recht. Es wäre keine richtige Ausbildung. 

Ein letztes Mal zusammen; eine Gruppe, die ich noch besser hätte kennenlernen wollen

 

Mit Absage des Kurses musste auch ich eine Entscheidung treffen. Wie sicher ist eine kleine Insel, wenn uns der Virus auch hier erreicht?  Das könnte aufgrund der immer steigenden Zahlen nicht mehr lange dauern. Ist die Versorgung gesichert? Wie gut kann das Gesundheitssystem hier wirklich sein? Es war zwar keine einfache, aber die richtige Entschiedung für mich persönlich und ich verschob meinen Flug auf das frühstmögliche Datum, den 31. März. Ich konnte es nicht riskieren, länger als nötig auf der Insel festzusitzen, da auch mein Reisepass bald ablaufen wird. Und für die restlichen Tage konnte ich wenigstens noch das Inselleben genießen- im Unterbewusstsein war ich jedoch mehr nervös als entspannt. Jeden Tag wurden mehr Flüge eingestellt, mehr Flughafen dicht gemacht. Schaffe ich es noch rechtzeitig nachhause?

Noch immer kamen alle zum Sonnenuntergang am Strand zusammen, es wurde einander aufmunternd zugelächelt, trotzdem gelang es uns nicht ganz, Enttäuschung zu verbergen. Viele hatten jahrelang auf diesen Kurs gespart, andere kündigten ihren Job, da sie ansonsten keine 4 Wochen Urlaub bekämen.  Am nächsten Abend strich Emirates alle Flüge nach Deutschland und es war höchste Zeit, meine Eltern in die Umplanung einzuweihen. Die Situation gerät doch ein wenig außer Kontrolle. Wir entschieden uns, den Flug erneut umzubuchen, das Nahegelegenste war Copenhagen, dann mit einem seperaten Ticket nach Berlin. Den Tag darauf stelle Emirates den Flugverkehr komplett ein. Auch die Stimmung auf der Insel kippte. Wir sollten alle Schutzmasken tragen, viele Restaurants schlossen, Take-away only. Es gab einen bestätigten Corona-Fall. Zum Sonnenuntergang kamen nur noch wenige. 

Wir buchten einen Flug mit einer anderen Airline und ich- wie viele andere- verließen die Insel so schnell es ging. Kurz darauf rief Thailand den Ausnahmezustand aus. Alles ging so schnell. Mit einer der letzten Fähren fuhr ich auf die Nachbarinsel und flog von da aus nach Bangkok, musste eine Nacht am Flughafen verbringen und konnte am nächstem Morgen ein Glück das Flugzeug über Helsinki nach Frankfurt boarden. Eine Szene wie sich sich am Flughafen Bangkok abspielte hab ich in meinem Leben noch nie erlebt. 99% der Menschen hielten sich an die Schutzmaskenverordnung, es wurde auf Sitzbänken gecampt, da viele hofften, mit den wenigen Standbyplätzen irgendwie aus dem Land zu kommen, ich las die Hälfte eines Buches während ich in einer langen Schlange zum Check-in Schalter stand.  Außerdem traf ich auf andere Deutsche, welche bereits seit Längerem am Flughafen ausharren, um sich immer wieder in Standbylisten einzutragen. Die Angst, dass mein Flug auch überbucht war, stieg weiter an. Letztendlich bekam ich aber einen Boarding Pass und stieg am 26.3. erleichtert in den vollen Finnair Flieger. Ein paar Stunden später sah ich endlich Papa in Frankfurt, der den ganzen Weg zum Flughafen fuhr, um mich abzuholen und sowieso als mein persönliches Reisebüro agierte, um mich da irgendwie darauszuholen. Zu meiner Überrschung schien Frankfurts Flughafen entspannt, nur wenige trugen Masken, es gab keine Temperaturchecks oder Fragen, wo man her kommt.

Rucksack ist gepackt, Pat gab mir Lunch mit und nach mehreren Temperaturchecks (vor der Fähre, vor dem Flugzeug etc.) ging es für mich nach nach Bangkok, wo ich meine Südostasienreise vor 6 Monaten startete

In dem ganzen Troubel war es so einfach zu vergessen, sich auf zuhause zu freuen. Alles kam überstürzt, ich hatte keine Zeit mich vorzubereiten, vorallem auf das Wetter haha. Aber ich bin jetzt schon seit 2 Tagen wieder da und auch wenn es wahrscheinlich noch ein bisschen dauert bis ich wirklich "ankomme", bin ich heilfroh, zuhause zu sein. Und man schätzt die kleinen Dinge, welche ich so vermisste während meiner Reise. Ich kann die Flasche mit Leitungswasser auffüllen, wir trennen den Mülll vernünftig, es gibt Brot!! Wenn ich auf die letzten Tage zurück schaue wird mir erstmal bewusst, was für eine knappe Nummer das war. Meine  Rückkehr hatte ich mir anders vorgestellt.

Dies ist mein letzter Bogeintrag, von jetzt an wird sich das Reisen erstmal beschränken. Ich wollte mich bedanken, dass ihr mir die letzten 1.5 Jahre, genauer gesagt 567 Tage, gefolgt seit, mich ermutigt habt, Interesse zeigtet und ich meine Geschichten mit euch teilen konnte. Wie es jetzt weiter geht weiß ich nicht, ich glaube das weiß keiner.  Ich hoffe, dass wir diese Zeit getrennt, aber zusammen durchstehen. Ich begebe mich die nächsten Wochen natürlich erstmal freiwillig in die Quarantäne, obwohl ich hier auf dem Dorf ein Glück mit unserem Fiete spazieren kann (der ist übrigens soo groß geworden, als ich im September 2018 losgereist bin war er noch ein Welpe).

Ich kann es kaum erwarten, meine Großeltern und Freunde in den Arm zu nehmen, wenn das alles hier vorbei ist.

Als ich gerade die Südostasienkarte kennzeichnete fiel mir auf, dass ich sowas gar nicht für Kanada gemacht habe. Kanada, es fühlt sich wie eine Ewigkeit vor das Land verlassen zu haben, dabei war es erst im September. Ich habe oft Heimweh, Fernweh, ich weiß nicht wie man es am Besten beschreibt, und ich hoffe sehr, irgendwann dorthin zurückzukeren. 

Ich glaube trotz des ganzen Verlusts & vieler Probleme, welches diese Epidemie mit sich bringt, werden wir etwas Gutes daraus mitnehmen. Auch wenn ich das vielleicht gerade noch etwas leugne.

Bleibt gesund und macht das Beste aus der Situation,

Maike